Um 18 Uhr öffneten sich die Türen des Kunstvereins für die Jubiläumsfeier der Stuttgarter Internetagentur FUF // Frank und Freunde. Geschäftsführer Frank Meier begrüßte Kunden, Geschäftspartner und ehemalige Mitarbeiter. Das Programm des Abends eröffnete Konstantin Singer mit der Präsentation der eingereichten Design-Entwürfe und des aktuellen Stands des FUF20 App-Wettbewerbs. Weiter ging es danach mit Nikita Gorbunov, Poetry Slammer, Künstler und Musiker aus Stuttgart. Mit seiner Hommage an den Marienplatz in Stuttgart - “Frauen tragen Dutts, Männer tragen Bart”, seinem zum 20jährigen Jubiläum der Digitalagentur passenden Rückblick in die 90er Jahre und seinen drei persönlichen Wunsch-Apps (unter anderem eine App, die einfach sagt “Hey, du bist voll ok so!”) sorgte Nikita für jede Menge Lacher und Begeisterung beim Publikum.

Expertenrunde mit Dr. Matthias Peissner und Sebastian Knopp zum App Business

Dr. Matthias Peissner leitet am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart das Geschäftsfeld Mensch-Maschine-Interaktion. Dazu gehören vier Teams mit 30 Mitarbeitern, die sich mit den Themenkomplexen Technik, Business, Mensch/Nutzer und Design beschäftigen. Im Mittelpunkt steht dabei die angewandte Forschung, bei der es nicht nur darum geht am Institut neue Erkenntnisse zu gewinnen. Stattdessen sollen diese Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit der Industrie der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Der zweite Experte Sebastian Knopp ist Growth Consultant und Unternehmensberater im Bereich Mobile und Gaming und zudem auf den Feldern Marketing, Produktmanagement und User-Gewinnung aktiv. Ursprünglich selbst Softwareentwickler, erweiterte er seine Kenntnisse durch ein Studium in BWL / Marketing. Durch seine Startup-Erfahrungen mit der App-Agentur Fluidmobile und der Produktentwicklung des alternativen App-Store Xyologic verfügt er über einen umfassenden Überblick über den gesamten Prozess der App-Entwicklung.

Entwicklung der Digitalisierung in den letzten 20 Jahren

Im Gespräch wurden unterschiedlichste Themenkomplexe der Digitalisierung aufgegriffen, angefangen mit der Frage, wie sich das Internet in den letzten 10-20 Jahren verändert hat. Dr. Matthias Peissner sieht den größten Unterschied in der Weiterentwicklung des Themas Usability und Webdesign, hin zu einer bedürfnisorientierten Entwicklungsweise. Vor 10 Jahren waren die wichtigsten Ziele bei der Entwicklung neuer Technologien das intuitive Verstehen sowie die Möglichkeit, fehlerfrei und effizient ans Ziel zu kommen. Heutzutage ist die Technik jedoch nicht mehr nur Mittel zum Zweck. Stattdessen soll sie den Nutzer unterhalten und Vertrauen schaffen. Daher rückt der ganze Mensch mit seinen Intentionen, Einstellungen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt der Entwickler. Die Technik hat zudem den Anspruch, immer menschenähnlicher zu werden, woraus sich wieder neue Fragen ergeben - allen voran die Frage, wie Menschen mit dieser neuen, künstlichen Intelligenz interagieren können. Eine spannende Rolle spielen dabei die Interface-Themen Augmented Reality - Spiele sind auf diesem Gebiet die aktuellen Trendsetter - und die Sprachsteuerung. Letztere ist im mobilen Bereich auf dem Vormarsch, da die direktere Interaktion mit Technik in den letzten Jahren generell stark zugenommen hat. Schon Kinder und Jugendliche diktieren Whatsapp-Nachrichten und unterhalten sich mit Siri. “Hier entsteht schon in frühen Jahren ein ganz natürliches Verhältnis zur Technik”, erklärt Peissner die Forschungserkenntnisse.

Jeder von uns entriegelt sein Smartphone 150 mal pro Tag

Damit kam die Runde zu der Frage: Welche Beziehung haben wir eigentlich zu unserem Handy? 150 mal am Tag entriegelt jeder sein Smartphone - das sagt eine aktuelle Statistik. Sebastian Knopp weiß: Man nutzt das Handy oft unbewusst, wie eine aktuelle Studie von Google zeigt. “Man denkt, man hat die Facebook-App zwei- oder dreimal benutzt, aber in Wirklichkeit waren es 20 oder 30 Mal”, so Knopp. “Man hat das aber nicht bewusst präsent.”

Überhaupt: Apps. Bislang das große Thema, wurde in letzter Zeit immer öfter gemunkelt, die User seien App-müde geworden. Studien belegen, dass weniger Apps geladen werden - andererseits wurden im letzten Jahr laut Apple 15 Milliarden Dollar mit Apps umgesetzt. Sebastian Knopp erklärt diese Diskrepanz folgendermaßen: Grundsätzlich floriert das Geschäft und es gibt extrem viele erfolgreiche Apps mit signifikantem Umsatz. Das Problem laut Knopp: 99 Prozent aller releasten Apps sind schlecht. Daher sei es so schwer, gute neue Apps zu finden, vor allem, da die charts-getriebenen Stores wöchentlich nur 20 bis 25 neue Apps featuren. Das verbleibende eine Prozent bestehe aber aus Apps mit funktionierenden Geschäftsmodellen und Zielgruppen. In den Umsatzzahlen seien zudem die Werbeumsätze mit eingerechnet, die den Ertrag natürlich noch weiter in die Höhe schrauben.

Erfolgsentscheidende Faktoren für das App-Marketing

Wie kann .FUF nun der eigenen hybriden App zum Erfolg verhelfen? Beide Experten haben gute Tipps für die Stuttgarter Digitalagentur parat. Nach Dr. Matthias Peissner sind vor allem zwei Faktoren von Bedeutung: Im ersten Schritt sollte die App ein bestehendes Problem lösen. Im zweiten Schritt sollte die App aber nicht nur “Negatives beseitigen”, sondern einen positiven Nutzen bringen. Ansatzpunkte für diese nutzerzentrierten Gestaltungsprozesse sind die evolutionsbiologischen Bedürfnisse des Menschen: der Wunsch, sich kompetent zu fühlen, etwas gut zu können, sich sicher zu fühlen, populär zu sein, beliebt zu sein und ähnliches. “Die Frage ist: Wie kann ich diese befriedigen, Nutzungserlebnisse schaffen und eine mehrmalige Nutzung erreichen?”

Erfolgreiches Onboarding aus Ausgangspunkt für die regelmäßige App-Nutzung

Genau diese mehrmalige Nutzung steht auch für Sebastian Knopp im Mittelpunkt: “Keiner macht sich Gedanken, wie ich eine App zur Gewohnheit mache.” Oftmals werden Apps nur einmal benutzt oder sogar direkt nach dem Herunterladen wieder gelöscht. Die First Time User Experience ist aber von immenser Bedeutung: “Wenn das Onboarding nicht gut war, dann kommt der User nicht wieder.” Daher ist die Gestaltung des Erstkontakts und die Unterstützung der regelmäßigen Nutzung, beispielsweise über Push Notifications, überaus wichtig. Zudem ist das Entwickeln einer App ein evolutionärer Prozess, bei dem die App nach der ersten Version kontinuierlich immer weiter verbessert werden muss - und dadurch letztlich für den Nutzer attraktiv wird.

Virales Online-Marketing vs. klassische Public Relations

Im Zuge der Eigenentwicklung kam Frank Meier auch auf die Möglichkeiten des Marketings für die hybride App der Internetagentur zu sprechen. Sebastian Knopp brachte es auf den Punkt: “Geld hilft immer.” Großes Potenzial hat jedoch auch nach wie vor das virale Marketing, das über drei Faktoren gestützt werden kann. Zum einen können Apps in den großen Stores gefeatured werden. Dies erreicht man, in dem man seine App den Entwicklern von Google oder Apple per Mail oder auch persönlich vorstellt. Laut Knopp ist dies ein Weg, der durchaus erfolgversprechend sein kann. Zweitens ist das Schalten von Facebook-Werbung nach wie vor relevant, da hier eine gutes Targeting möglich ist und man das eingesetzte Budget frei bestimmen kann. Drittens funktioniert auch die ganz klassische PR - sofern man es schafft, seine App in eine interessante Story einzubetten. Eine weitere Möglichkeit ist die exklusive Vermarktung einer App in den Stores. Diese featuren Apps, die ihrer aktuellen Strategie und ihrem Agendasetting dienlich sind. Wer eine passende App anbietet, hat gute Chancen im Store gepusht zu werden. Eine absolute Exklusivität ist dabei nicht nötig. Vielmehr ist hier beispielsweise der zeitliche Aspekt entscheidend: Man könnte eine App zuerst nur im App- Store anbieten und erst nach zwei bis drei Monaten auch in den Google Play-Store einstellen. Generell sehen es sowohl Knopp als auch Peissner als förderlich an, wenn auch die “Scherbenfrei”-App den Weg in die Stores finden würde, auch wenn sie als hybride App wenig Chancen auf ein Feature hat. Hier geht es jedoch mehr um die Auffindbarkeit und Verfügbarkeit, denn das größte Marketingpotenzial der e-Government App sehen die Experten in der Weiterempfehlung der hybriden App durch die betreffenden Städte und Kommunen selbst, sowie durch klassische Public Relations, Zeitungsartikel und ähnliches.

Bei kühlen Drinks, leckerem Dip-Buffet und lockerer Musik von DJ Andreas Vogel ließen die Gäste und das FUF-Team den Abend gemütlich ausklingen.